Der in Neukirchen bei Lambach wohnhafte Extremsportler Wolfgang Fasching (Bild) hat ein Projekt erfolgreich umgesetzt, das eigentlich bis heute für unmöglich gegolten hat. Er radelte in drei Wochen von Wladiwostok nach Sankt Petersburg. Damit wieder einmal ein „Weltrekord“:10.000 Kilometer – und das auf dem Rad.
Zwei Tage früher als geplant erreichte Wolfgang am 13. August sein Ziel in Sankt Petersburg. 21 Tage, 19 Stunden und 31 Minuten zuvor war er in Wladiwostok, an der Westküste Russlands, zu seinem extremen Abenteuer gestartet. Mit der Vollendung dieses Weltrekords stößt der 47-Jährige in eine neue Dimension der Ultrasportszene vor.
Die OÖN-Sportredakteurin Marlies Czerny war als Mitglied von Faschings Team an der Seite des Extremsportlers unterwegs – hier ihr Interview auf der „Zielgeraden“.
Wolfgang, du überquerst gerade die 100er-Marke. Nur noch 99 Kilometer von 10.000 hast du vor dir. Welche Gefühle begleiten dich dabei?
„Ich kann es nicht glauben! Nach so einem durchwachsenen Tag, nach so durchwachsenen Wochen … 99 ist plötzlich so überschaubar! Es ist aber noch immer keine Spazierfahrt – und gegen Ende fühlt sich jeder Kilometer doppelt so lange an“.
Seit mehr als tausend Kilometern donnern im Minutentakt, ja fast im Sekundentakt die Lkw haarscharf an dir vorbei. Hattest du den Moment, zu sagen: Aus, das ist mir zu gefährlich?
„Der war mehrmals da. Ich wollte oft das Rad nehmen und in den Graben schmeißen. Ich dachte, das geht so einfach nicht. Ich führte fast tagtäglich ein Gespräch mit dem Alex (Anm.: er organisierte das Projekt), dass ich zwei Autos zur Absicherung haben will, sonst halte ich das nervlich nicht durch“.
Wie kann man sich das vorstellen, was da vorgeht in dir?
„Die Abgase, der Lärm, echt unglaublich. Ich hatte mir das nicht so extrem vorgestellt. Da ist die B1 ein Bauernstraßerl dagegen. Die Verkehrsteilnehmer fahren so volle Kanne und sehr undiszipliniert. Wenn du von rechts und links gleichzeitig überholt wirst, dann schert der Lkw herein, das ist keine lustige Situation. Aber ich stellte fest, dass ich begonnen hab‘, damit leben zu können“.
In der Ultraradsportszene hat sich noch kein Mensch über ein solches Projekt gewagt. Vom Limit siehst du noch entfernt aus. Fragst du dich nun, wo deine Grenze wirklich liegen könnte?
„Durch die richtige Strategie ist es tatsächlich leichter gegangen als geglaubt“.
Leichter?
„Wie soll ich sagen: Es ist bewältigbar. Und leichter als es sich die Menschen draußen vorstellen. Der alte weise Spruch trifft es: Alles Denkbare ist auch machbar. Du musst es dir nur zutrauen. Und du musst es auch wirklich wollen. Ein Zauberwort dabei ist Geduld. Aber es war ja nicht nur eine Qual, wir hatten auch unseren Spaß. Allgemein fällt mir auf, dass sich Leute mehr zutrauen können, als sie glauben, imstande zu sein“.
Interessant habe ich gefunden, wie positiv deine Grundstimmung fast zu jedem Zeitpunkt war. Selbst wenn manche Teammitglieder über den Gegenwind schimpften, über die Schlaglöcher, die schlechten Hotels, keine Duschen – es warst eher du, der das immer relativiert hat.
„Ich glaube, dass ich zu jedem Umstand einen positiven Zugang finden kann. Als die Straße richtig schlecht war, dann war halt mein Hintern wieder gut. Besser es annehmen und positiv sehen, als über alles fluchen. Ich hätte dieses Projekt nicht starten dürfen, wenn ich anders denken würde“.
Ich habe dich nie in der ICH-FORM sprechen gehört, wenn es um das Projekt ging . . .
„Mir ist mehr als bewusst, dass ohne Team gar nichts geht. Du hast kein Leiberl, wenn du glaubst, du kannst das alleine richten“.
Am dritten Tag hatte ich das erste und einzige Mal richtige Zweifel, ob wir es bis St. Petersburg schaffen würden. Du hast richtig gelitten. Aber du hast dich wieder erholt. Wie geht das?
„Ich hatte wirklich ein Tief. Aber ich habe es mit Geduld aufgelöst. Am Ziel festzuhalten, auf dem Rad sitzen, sich nach vorne bewegen, egal wie die Geschwindigkeit ist, und ganz fest dran glauben, dass es wieder besser wird – die Geduld ist mein Schlüssel. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass nach jedem Tief ein Hoch kommt. Daran klammere ich mich“.
Eine haarige Situation war, als ein Auto den Vorrang missachtete und dir in die Quere kam…
„…das habe ich mittlerweile vergessen. Das war halt eine Situation, wo wir sehr viel Glück im Unglück hatten. Damit ist die Situation vergessen. Wichtig ist, dass du gleich wieder aufsteigst und nicht anfängst nachzudenken, dass es wieder passieren kann. Dann wären wir wahrscheinlich nicht hier jetzt“.
88 Kilometer sind es noch bis St. Petersburg. Worauf freust du dich am meisten?
„Darauf, ein riesiges Projekt geschafft zu haben. Ein richtig großes Projekt. Ich werde stolz sein, dass ich mich über so etwas drüber getraut habe. Dass es tastsächlich durchgezogen worden ist. Zu sagen, ich freue mich auf eine Dusche oder ein Bier, das wäre zu einfach. Ich denke, wir werden in St. Petersburg im Projekt angekommen sein. Ich mag dann einfach jedem Teammitglied – fast jedem – ganz ehrlich meinen Dank ausdrücken und meine Freude. Und dass wir noch gemeinsam eine Gaudi haben damit. Dass wir etwas geschaffen haben“.
Faschings-„Wahnsinn“:
+ 25 Kilometer pro Stunde betrug Faschings „Reisegeschwindigkeit“ auf seiner Gewalt-Tour, wenn er auf dem Rad Tempo machte.
+ 85.000 Höhenmeter wurden überwunden. Rund 60 Mal wechselte der 47-Jährige vom Rennrad aufs Mountainbike.
+ 192.000 Kalorien verbrannte der Kilometerfresser unterwegs. Das entspricht ungefähr 12.000 Stück Würfelzucker.
+ 66 Stunden Schlaf gönnte sich Fasching in den vergangenen drei Wochen, in denen er sieben Zeitzonen durchquerte.
Ohne einen bestens vorbereiteten Tourplan und ein umfangreiches Begleiterteam könnte eine derartige Gewalttour gar nicht in Angriff genommen werden. Wolfgangs PR-Geschick schafft offenbar auch die entsprechende Finanzierung eines derartigen Projekts (alle Fotos: Georg Hartl).